nulltarif - für mehr Bewegung im alltag

reclaim the streets-Aktionen zur Fahrpreiserhöhung der BVG

Juli 2000

no ticketsEs ist wieder soweit. Ab 1. August will die BVG ihre Fahrpreise erhöhen. Nach langem Hin und Her und zweimaliger Ablehnung der Erhöhung durch den Senat Anfang des Jahres, ist jetzt der Deal perfekt. Die BVG darf mehr draufschlagen als erwartet (durchschnittlich werden die Preise um 2,7 % steigen - eine Tariferhöhung von der wir als MalocherInnen seit Jahren nur noch träumen können). Dafür ist das Unternehmen bereit eine abgespeckte Neuauflage des Arbeitslosenticket (für 45 DM im Monat darf künftig nicht mal die Hälfte aller Jobsuchenden zum Amt oder Bewerbungsgespräch fahren) und das allseits ach so begehrte Semesterticket (für 215 Tacken ein halbes Jahr lang zur Vorlesung) einzuführen.

Eigentlich will die BVG die Anzahl ihrer Stammkunden erhöhen, denn bis 1999 gab es immer weniger Fahrgäste. Doch die Rechnung billigere Preise = mehr Anreiz zu fahren und zu zahlen geht für das auf Wettbewerbsfähigkeit und Privatisierung ausgerichtete Unternehmen nicht auf. Stattdessen wird - ganz im Sinne der Hauptstadt-Metropolen-Politik - mehr auf mediale Unterhaltung gesetzt. Seit die Dinger wieder repariert sind und uns die Anzeigentafeln an den Bahnhöfen wieder sagen, wieviel Zeit uns bleibt, fällt endlich das nervige Lotteriespiel mit der Planung der Wartezeit weg. Noch eine rauchen? Schnell noch ´ne Pepsi ziehen? Ein Blick auf die Tafel gibt uns die Antwort. Preis: 13 Millionen. Auch das geplante Fernsehen in den U-Bahnen soll uns in Zukunft mehr Spaß beim Fahren und Bezahlen bringen, und uns den Alltag erleichtern (wer auf dem Weg zum Einkaufen auch noch Werbung glotzen darf, weiß was ihr/ihm noch zum Glück fehlt). Denn für mehr zahlt mensch auch gerne mehr.

bvg brotherAber auch um unsere Sicherheit ist die BVG redlich bemüht, und läßt sich das auch was kosten. Und als ob die überall herumlungernden Privatcops nicht schon arg genug wären, soll für 20 Millionen Mark ein flächendeckendes Netz aus Videokameras in Bussen und Bahnen errichtet werden, um gegen kriminalisierte Graffiti- und Scratching- KünstlerInnen vorzugehen. Weil die "Schmierereien" ja schließlich keinen guten Eindruck bei den Touristen und Damen und Herren Regierenden machen. Im letzten Jahr gab die BVG ganze 16 Millionen für das Entfernen unkommerzieller Kunstwerke aus - genau soviel, wie die jetzige Preiserhöhung einbringen soll.

Und nicht nur bei den zahlenden Fahrgästen will die BVG kräftig absahnen. Um die Einnahmen aus dem sog. "erhöhten Beförderungsentgelt" von 15,3 auf 20 Millionen Mark dieses Jahr zu erhöhen (bei einem gerechneten Einnahmeverlust von 11 Mill.), machen uns täglich 250 Kontrollärsche das Leben schwer. Vor allem in sog. "sozial schwachen" Gebieten.

Warum Nulltarif ?
Freie Mobilität ist ein Menschenrecht. KeineR sollte dafür bezahlen müssen. Weiter läßt sich kaum behaupten, die meisten Wege, die wir tagtäglich zurücklegen müssen, seien unser Privatvergnügen. Wir müssen zur Arbeit, Schule, Studium, Arbeits- und Sozialamt, oder zum Einkaufen. Der Kapitalismus sagt: "Wer Leistung will, muß sie bezahlen". Wir sagen: "wir zahlen schon zuviel", und sind gespannt, was uns das System anzubieten hat.
Der täglichen Diskriminierung von Menschen die sich den Fahrpreis-Terror nicht leisten können oder wollen, würde durch Nulltarif der Boden entzogen. Damit wäre auch endlich Schluß mit der rassistischen Ausgrenzung illegalisierter Flüchtlinge, für die es wegen der ständigen Gefahr ohne Ticket in eine Kontrolle zu geraten kaum möglich ist die Öffentlichen zu benutzen, und sich "frei" durch die Stadt zu bewegen.

Nulltarif bedeutet der Entwicklung der Stadt eine neue Perspektive zu geben. Freizügigkeit im wahrsten Sinne des Wortes, wo (hohe) Fahrpreise doch nur Schicki-Micki- Nobel-Züge mit Werbefernsehn, Überwachungskameras und Privatbullen finanzieren, das Prinzip "Auto-Stadt" fördern, und damit die weitere Verödung durch Straßen und Parkplätze. Damit ist jetzt Schluß! Sollen sie doch mit ihren Karren, Tarifen und Kontrolettis allesamt zur Hölle fahren! Wir fahren umsonst - und zwar zur nächsten Party.

 


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