Aufruf zur

RECLAIM THE STREETS
AM 21. Juli 2000

in Ulm

Kultur vs. Kommerz
Bei einem Blick auf das Ulmer Kulturangebot stellt mensch sehr schnell fest, dass dieses fast ausschließlich aus kommerziellen Veranstaltungen und Locations besteht. Die Eintritts- und Getränkepreise steigen, das Angebot wird aber keineswegs interessanter und abwechslungsreicher, sondern das Gegenteil ist der Fall. Diese Tendenz lässt sich besonders gut am derzeitigen Zustand des Ulmer Roxy beobachten, dessen Weiterbestehen vom finanziellen Profit abhängig gemacht wird. Um diesen Profit zu erreichen müssen dann Veranstaltungen gemacht werden, die mit wenig Aufwand eine möglichst breite Masse anziehen. Dass dabei künstlerischer Anspruch, Vielfalt und besonders kritische Inhalte verloren gehen, ist sowohl dem Stadtrat als auch den Roxy-Machern sehr wohl bekannt.
Die Kommerzialisierung von Kultur bedeutet aber nicht nur einen dumpfen Einheitsbrei statt Abwechslung, sie bedeutet auch, dass Kultur nicht von allen gemacht, verstanden und gelebt wird, sondern Unternehmen und „clevere“ Geschäftsleute „ihre Kultur“ gewinnbringend an KonsumentInnen verkaufen wollen bzw. müssen, um dem Gesetz des Marktes gerecht zu werden. Mensch hat also (fast) keine Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen und auszudrücken; er/sie muss schlucken, was UnternehmerInnen anbieten ohne darauf Einfluss nehmen zu können. Die Orte, an denen mensch seine/ihre Freizeit verbringt, spiegeln oder potenzieren also Alltagssituationen statt dagegen aufzubegehren. Geld bestimmt die individuellen Möglichkeiten, um am, von Konzernen vorgegebenen, Lifestyle teilzunehmen, oder besser gesagt mitzukonsumieren.

Privatisierung öffentlicher Räume
Dieser homogenen, an und in das System eingepassten Kultur (Anpassungsmaschinerie) müssen wir eigene Freiräume entgegenstellen, die wir dann mit unseren eigenen Inhalten füllen können, damit eine kreative, lebendige und kritische (Gegen-)Kultur entstehen, und sich weiterentwickeln kann. Initiativen, die versuchen von der Stadt Unterstützung für unkommerzielle und selbstbestimmte Kulturarbeit, wie zum Beispiel ein multikulturelles Jugendzentrum, zu bekommen, werden mit nicht eingelösten Versprechen und Desinteresse abgetan. Hier zeigt sich das wahre Gesicht der PolitikerInnen, die versuchen, die Menschen in ein vorgegebenes konsumorientiertes System einzupassen statt eigene Ideen und individuelle Freiheiten zu fördern. Menschen werden damit zu Wirtschaftsfaktoren: Alternative, nicht angepasste Menschen, ebenso wie MigrantInnen, Obdachlose, BettlerInnen, Punks, SkaterInnen, ... von denen kein Profit zu erwarten ist, werden von privaten Securitys aus den Einkaufszeilen der Innenstädte verdrängt oder auf Geländen der Deutschen Bahn von Bundesgrenzschützern des Platzes verwiesen. Wer kein Geld oder auch nur keine Lust hat, am Konsumwahn teilzunehmen, hat auch keine Berechtigung sich an diesen privatisierten Räumen oder Plätzen aufzuhalten. Um das Skater-, Obdachlosen-, Punk-, MigrantInnen...freie Einkaufsparadies zu verwirklichen, werden auch in Ulm immer mehr Überwachungs- und Repressionsmethoden geschaffen, und mit der herbeigeredeten „Inneren Sicherheitsproblematik" legitimiert. JedeR, der/die versucht der Kälte und sterilen Sauberkeit moderner Innenstädte entgegenzuwirken und die Innenstadt wieder als Treffpunkt und Aufenthaltsort für alle zu nutzen, sieht sich schikanösen „einfach so“-Kontrollen bis hin zu massiver Strafverfolgung ausgesetzt, bei MigrantInnen können rassistische Kontrollen gar zur Abschiebung führen, sollten sich irgendwelche Fehlverhalten konstruieren lassen.
In Ulm machen dabei vor allem bundesweite Testprojekte im Bereich der „Drogenbekämpfung“ von sich reden: Ulm solle die „erste drogenfreie Stadt Deutschlands“ werden forderte einst OB Ivo Gönner (SPD). Hauptsächlich davon betroffen sind natürlich wieder Jugendliche (vor allem KifferInnen), welche dadurch gleich wieder zu Kriminellen gestempelt werden und durch repressive Kontrollen aus dem „öffentlichen Leben“ verbannt werden sollen.
Auch Menschen, die versuchen, sich durch „Graffiti“ Freiräume zu schaffen und ein bisschen Farbe in eine graue Umwelt bringen wollen, sind dem städtischen Ordnungswahn ein Dorn im Auge. Die Tatsache, dass jemand eine Wand für sein/ihr Bild beansprucht, scheint so schlimm zu sein, dass eigens eine SOKO Graffiti gegründet wurde, die SprayerInnen nicht nur verfolgt und zu unbezahlbaren Urteilen und Schadensersatzforderungen führt, sondern auch durch ungesetzliches Verhalten (illegalen Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Telefonüberwachungen,..) zu trauriger Berühmtheit kam.
Auch die Kontrollen im und um den Ulmer Hauptbahnhof nutzt die Polizei bzw. der Bundesgrenzschutz immer wieder auch dazu stolze Statistiken in die Tageszeitungen zu setzen, wie viele „Ausländer ohne oder mit falscher Aufenthaltsgenemigung“, „Drogendealer bzw. –konsumenten“,... der Polizei mal wieder ins Netz genangen sind.

Reclaim the streets
Eine reclaim the streets-Party ist im Unterschied zu einem normalen Straßenfest eine bewusst unangemeldete und damit illegale Party. Dabei gibt es auch keine VeranstalterInnen, die einen bestimmten Ablauf festlegen. Vielmehr lebt die Party durch die Menschen und deren Ideen für Aktionen, welche man auf der Strasse machen kann (Musik machen, malen, sprayen, skaten, Theater spielen, tanzen,... ). Also seid kreativ und bringt alles mit was ihr zu Hause habt oder irgendwo besorgen könnt (umsonst einkaufen ;-) (Musikanlage mit Batteriebetrieb, Aufblassofas, Spraydosen, Getränke und Essen (möglichst vegan), Spiele, Decken, Musikinstrumente: Trommeln und Didgs oder was ihr sonst so spielen könnt, Haarfarbe...). Am Tag der Party treffen wir uns dann an einem zentralen Ort in der Stadt, der noch bekanntgegeben wird. Wenn genügend Leute pünktlich(!) da sind, können wir noch gemeinsam eine bessere Location ausspähen (evtl. eine Straße, um sie vom stinkenden Autoverkehr zu befreien...). Die genaue Location und die genaue Startzeit wird einige Tage vor der Party über Radio, Zeitungen, Flyer’s und Internet (http://go.to/reclaim-the-streets) und evtl. über ein Infotelefon bekanntgegeben, also haltet Augen und Ohren weit geöffnet. An dieser Location solltet ihr dann möglichst pünktlich auftauchen (denn nur so kann die Party erfolgreich werden!!), dort ist dann genug Platz um das mitgebrachte Zeug kreativ zu verwenden, und einen Lebensraum nach eigenen Vorstellungen aufzubauen.
Die Party zeigt, dass mensch die Möglichkeit hat das System von Verbotenem und Erlaubten zu durch brechen und sich eigene Räume für Partys, Kommunikation und was er/sie noch machen will zu schaffen. Freiräume, die, da sie außerhalb des legalen Rahmens liegen, nicht kontrollierbar oder funktionalisierbar sind. Außerdem ist reclaim the streets eine Widerstandsform, die sehr viel Spaß macht und verschiedene Leute (MigrantInnen, Arbeitslose, Punks, SkaterInnen, SprayerInnen, KifferInnen, Eltern, Kinder,...), die den Willen zu Veränderung haben, zusammenbringt.
Direkt ist es natürlich ein Angriff gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums und die damit verbundene Ausgrenzung von Personen, aber auch gegen die konsumorientierte Monokultur. Die Stadt soll Treffpunkt für alle und nicht Einkaufsparadies für wenige, finanziell privilegierte, sein. Wir wollen stören was als „normal“ angesehen wird und zeigen, wie wir uns unseren Lebensraum und unsere Partys vorstellen.

Spaß kann auch Widerstand machen!

Werde selbst aktiv, Kreativität ist gefragt!
Personalausweis nicht vergessen (in Ulm soll’s ja öfters mal Bullenkontrollen geben...) und pünktlich sein!

Kontakt: reclaim-the-streets@gmx.de

WWW: http://go.to/reclaim-the-streets

Es wäre toll, wenn auch aus eurer Stadt Leute kommen würden... umso mehr Menschen wir sind, desto mehr können wir bewegen!
Die Aktion soll das verschlafene Städtchen Ulm mal so richtig wachrütteln und den Menschen klar machen, daß sich nur was ändern wird, wenn genug Leute ihr Maul aufmachen! Kommt alle am 21. Juli nach Ulm - Spaß kann auch Widerstand machen!
Organisiert überall illegale RECLAIM THE STREETS- Parties! NO JUSTICE NO PEACE!


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