Presse zur Aktion vom 11.09.1999 in der Friedrichstraße

Diesmal gab's, den Umständen entsprechend, etwas mehr Presseresonanz.
Da an verschiedenen Tagen berichtet wurde, hier eine Aufstellung nach dem Datum des Erscheinens. Einige Artikel entsprechen der Wahrheit nur sehr wenig, (als Beispiel sei nur der letzte Artikel der Berliner genannt), über die Pressereaktionen gibt es auch ein paar Beiträge im Disko-Forum.


Ein Artikel aus dem Punkzine 4 CHAOS #19, Datum unbekannt

Am Samstag, den 11.09.1999 eine kurze Ankündigung in der:

Am Sonntag, den 12.09.1999 nur ein Bericht in der:

Am Montag, den 13.09.1999 insgesamt 6 Berichte:

Am Dienstag, den 14.09.1999 noch einmal 3 Berichte:

Die Parfümerieabteilung der "Galerie LaFayette" kurz nach der Plünderung Die Parfümerieabteilung der "Galerie LaFayette" kurz nach der "Plünderung"

Ein Artikel aus dem Punkzine 4 CHAOS #19, Datum unbekannt

Reclaim The Streets

Reclaim The Streets ist eine Protestform, die aus England stammt und seit einiger Zeit auch in Deutschland praktiziert wird. Während sich in anderen deutschen Städten die Protestform nicht durchsetzen kann, fand am 11. September in Berlin die vierte Straßenparty statt. Die Idee, die hinter RTS steht, ist das man den Freiraum Straße zurückerobert. In erster Linie richtet sich diese Aktion gegen Autos. Wie die Umsetzung der Protestform aussieht, hängt von den beteiligten ab. Einzige Regel ist, daß es auf der Straße stattfindet. In England wurden bei RTS-Aktionen Straßen in Kinderspielplätze mit Klettergerüsten und Hüpfburgen geschaffen, aber davon ist Berlin noch weit entfernt. Bis zu 10.000 Teilnehmer erreichen die RTS-Aktionen auf der Insel, während in Berlin bislang der Rekord bei 3.000 Teilnehmern liegt. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Anti-Straßenproteste gehören im Ursprungsland die radikalen Ökogruppen - Earth first! war eine der ersten Gruppierungen, die diese Kampfform für sich entdeckten. Bei uns ist es der politische Flügel der Techno- und Raveszene. In der Walpurgisnacht, der vorletzten Aktion hielt die Polizei zum Schluß hin über 300 Teilnehmer mehr als 6 stunden im Kessel gefangen. Es wurden Anklagen erhoben, weil die betroffenen Personen nicht der mehrmaligen Aufforderung, die Straße zu verlassen gefolgt waren. Die Bußgeldbescheide (Ordnungsstrafe) waren in der Höhe von 276 DM.

Um 16 Uhr versammelten sich ca. 1500 Teilnehmer auf der Wiese vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße. Es gab sogleich die erste Festnahme. Eine Person mit Flyern, die zum Hören eines Piratensenders aufforderten, wurde festgenommen und die Flyer beschlagnahmt. Vorwurf war, daß die betreffende Person, den Wunsch der Polizei auch einen Flyer zu bekommen, mißachtet hatte und somit nicht einer polizeilichen Aufforderung nachkam. Gegen 17 Uhr setzten sich die Teilnehmer in Bewegung - Richtung U-Bahn. Der Eingang wurde daraufhin von BVG und Polizeibeamten versperrt. Ebenso wurde durch Uniformierte der Zugang zur S-Bahn verwehrt. Dank einiger unfähiger Polizeibeamter und ein bißchen Drängelei kamen wir dann doch hinein. Zwischendurch gab es den einen oder anderen Streß und mehrere Teilnehmer wurden festgenommen. Teils zu Fuß, teils mit der Bahn traf man sich bald ein kleines Stück die Friedrichstraße weiter runter wieder und feierte zusammen - ständig durch Polizeiübergriffe gestört. Den Höhepunkt erreichte das ganze vor dem - dank des Kanzlerfestes länger geöffneten - Nobelkaufhauses Lafayette. Der einzige Ausweg aus der Prügelorgie der Ordnungshüter war das Kaufhaus, was auch gleich Opfer der angestauten Wut wurde. "Autonome" plünderten und randalierten im Nobeltempel. (Scheibeneinschmeißen ist ja gar nicht nötig. Die fallen von selber runter.)

In der Berliner Zeitung hieß es in den folgenden Tagen in einer Randmeldung, daß sich die Veranstalter von solchen Chaoten distanzieren, was gleich einen wütenden Brief an die Interim mit einer Beschimpfung der Veranstalter nach sich zog.

Irgendwie schien der Polizei dann auch ein Licht aufzugehen. Die Party-Demo wurde in eine Lauf-Demo verwandelt und zum Berliner Museum in einer Kesselformation geführt. Dort wurde dann gegen 19:30 das Soundsystem abgebaut und die Demo beendet. Die Bilanz lautete 29 Festnahmen. Die Boulvardzeitungen füllten mit "Insiderberichten" und Interviews mit Psychologen, warum die böse Jugend so etwas tut, ihre Seiten.


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TAZ am 11.09.1999

Betr.: Vierte "Reclaim the streets"-Party

Heute tanzen sie wieder - offiziell unangemeldet - auf der Straße. Per Flyer wird zur vierten "Reclaim the streets"-Party aufgerufen. Treffpunkt ist demnach um 16 Uhr die Grünfläche am S-Bahnhof Friedrichstraße. "Die Aktion richtet sich gegen Autowahn, Privatisierung von öffentlichen Raum und eine repressive Politik der Ausgrenzung", heißt es in einer Mitteilung der Organisatoren. Die Gestaltung der Party richtet sich nach der Eigeninitiative der Teilnehmer. An den bisherigen Straßenpartys hatten bis zu 3.000 Personen teilgenommen. Die letzte Aktion am 30. April endete für 350 Teilnehmer in einem sechsstündigen Polizeikessel. Viele erhielten Bußgeldbescheide in Höhe von je 276 Mark. Vorbeugend mahnen die Organisatoren für heute zur Besonnenheit bei ähnlichen Situationen.

taz Berlin lokal Nr. 5936 vom 11.9.1999
Seite 24 Berlin Aktuell 26 Zeilen


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BZ am 12.09.1999

Straßenschlacht beim Kanzlerfest.

Chaoten überfallen Kaufhaus

Das Kanzlerfest im Schatten Berliner Autonomer.
Unter den Linden demolierten sie Infostände und riefen zur Revolution auf: "Reclaim the streets" (erobert die Straße zurück).
Höhepunkt der Ausschreitungen war dann der Sturm auf das Nobelkaufhaus "Galeries Lafayette" in der Friedrichstraße. Gegen 17.30 Uhr stürmten rund 60 Chaoten ins Erdgeschoss, verängstigten über 200 schockierte Kunden mit dem Schlachtruf "Bedient Euch bei den Bonzen!" und plünderten zwei Abteilungen.
"Sie warfen Regale um und haben die Parfumabteilung verwüstet. Danach bedienten sie sich bei den Accessoirs, stahlen Schals und Sonnenbrillen", so Lafayette-Geschäftsführer Patrice Wagner.
Eine Verkäuferin wurde durch ein herabfallendes Regalbrett verletzt. Wie groß der Schaden, besonders durch die Diebstähle ist, wird noch ermittelt. Unklar ist bisher auch, wieviele Plünderer festgenommen werden konnten.

Angefangen hatte alles mit einer illegalen Straßenparty am S-Bahnhof Friedrichstraße, die von der Polizei aufgelöst wurde. Die Beamten trieben die 500 Jugendlichen Richtung Kreuzberg, während sie zu lauter Reggae-Musik aus einem Lautsprecherwagen tanzten, der den Zug anführte. Die meisten von ihnen waren keine 20 Jahre alt. Sie besprühten den Straßenbelag mit Parolen "gegen das Kapital" und "die Nazis", rissen CDU-Wahlplakate herunter.
Als die Chaoten versuchten, gegen 18 Uhr eine Barrikade aus Bauwagen zu errichten, griff die Polizei mit Schlagstöcken durch und lotste die Chaoten-Demo über Koch- und Lindenstraße Richtung Blücherplatz. Vorm Jüdischen Museum wurde gegen 19.30 Uhr der Lautsprecherwagen beschlagnahmt - das Ende der Chaoten-Party.


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BZ am 13.09.1999

Die Plünder-Kids von der Friedrichstraße

Es begann als lustige Demo und plötzlich war der Hass auf der Straße

Berlin Uwe B., 34, von Bier und Tätowierungen schwer gezeichnet, sieht nicht nur so aus: Der Mann ist tatsächlich ein Hausbesetzer von altem Schrot und Korn, eine politische Ideologie hat er auch ("autonom"), und natürlich kennt er sich mit Demos und Randale aus.
Wie die vom Samstag, als die "Galeries Lafayette" gestürmt wurden. Aber etwas dort war neu. Der Polizei macht diese Entwicklung große Sorgen, und auch der dicke, alte Besetzer ist noch ganz durcheinander.

"Ganz normale Jugendliche waren das", sagt er schwer erstaunt. Und: "Die haben da plötzlich losgelegt, da kann man nur noch staunen."
Zuerst war es lediglich ein kleines Grüppchen, das da am Bahnhof Friedrichstraße für die "Rückeroberung der Straßen" demonstrierte. Uwe erklärt, was dann weiter passiert ist: "Da war natürlich viel los wegen dem Kanzlerfest und so. Und auf einmal waren da unheimlich viele Jugendliche, die mitmachten. Die waren ganz normal angezogen, die hatte ich noch nie gesehen. Das müssen so Skateboarder und so gewesen sein. Die fanden es gut, daß es gegen den Beton-Terror und den Irrsinn des Straßenverkehrs geht."
Jedenfalls wurden aus 120 Demonstranten plötzlich 600. Und die Polizei rückte im Großaufgebot an.
Uwe: "Das hat diese Jugendlichen schon aufgeregt. Mensch, da war doch noch überhaupt nichts passiert."

Vor dem Lafayette kam dann eine Parole, die noch aus alten Hausbesetzerzeiten stammen könnte: "Bedient euch bei den Bonzen!"
Hausbesetzer Uwe kennt solche Sätze, das ist seine Welt. "Aber das hat ja auch anscheinend sofort bei diesen Kids gezündet. Dabei sind die doch eigentlich nicht politisch."
Jedenfalls rannten diese Kids zusammen mit dem harten autonomen Kern in das Kaufhaus. Den Rest erzählen die Bilder auf dieser Seite. Und eine Stellungnahme der Polizei: "Eine spontane Aktion erlebnishungriger Jugendlicher."


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Berliner Zeitung am 13.09.1999

Lafayette gestürmt

Polizisten nehmen 26 Jugendliche fest

Jugendliche Demonstranten sind am Sonnabend in das Kaufhaus Galeries Lafayette an der Friedrichstraße in Mitte und in benachbarte Geschäfte gestürmt.
Passanten wurden von ihnen zum Plündern aufgefordert, Regale umgeworfen, Kleidung und Kosmetika gestohlen. Ein politischer Hintergrund der Aktion ist nach Polizeiangaben nicht erkennbar. "Die Chaoten haben wie Kranke geschrien und gewütet", sagte eine Verkäuferin.
Den Ladeninhabern war es nicht rechtzeitig gelungen, die Türen zu schließen. Noch gibt es keine Schätzungen darüber, wie hoch der angerichtete Schaden ist. Nach den Plünderungen war es auf der Straße zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Die Beamten nahmen 26 Demonstranten fest. Verletzt wurde niemand.

Nach Kreuzberg abgedrängt

Am Nachmittag hatten etwa 500 junge Leute, die laut Polizei vor allem der autonomen Szene angehÖren, auf der Friedrichstra8e ein Fest unter dem Motto "Die Straße zurückerobern!" gefeiert.
Dabei blockierten die Jugendlichen die Straße für mehrere Stunden. Um 17.30 Uhr stürmten plÖtzlich 40 betrunkene Jugendliche vÖllig unmotiviert in das Kaufhaus. Die Demonstranten, die gegen die - wie sie es ausdrückten - "Konsumtempel" und die "Stadt der Reichen" protestierten, wurden von der Polizei schließlich nach Kreuzberg abgedrängt.
Gegen 20.30 Uhr hatte sich die Lage entspannt. Die Festgenommenen waren vernommen und wieder freigelassen worden. (ls.)


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Berliner Morgenpost am 13.09.1999

Autonome randalierten in Galeries Lafayette

Ein friedliches Straßenfest endete gestern Abend mit Ausschreitungen.
Etwa 500 Autonome hatten auf der Friedrichstraße unter dem Motto "Reclaim the streets!" (Die Straßen zurückerobern! ) mit Musik gefeiert. Gegen 17.30 Uhr stürmten etwa 40 von ihnen das Kaufhaus Galeries Lafayette.

Geschäftsführer Patrice Wagner berichtete, dass plötzlich eine Frau schrie: "Wir sind bei den Kapitalistenschweinen. Bedient Euch".
Regale seien umgestoßen, teure Parfüms und andere wertvolle Waren gestohlen worden. Einer Verkäuferin sei ein Regal auf den Fuß gefallen. Sie habe sich im Krankenhaus behandeln lassen müssen. Die Polizei habe die Randalierer dann nach wenigen Minuten aus dem Kaufhaus geholt. Es soll zu Festnahmen gekommen sein.

Anschließend drängten die Einsätzkräfte die Teilnehmer des Straßenfestes von der Friedrichstraße in die umliegenden Straßen. Immer wieder kam es dabei laut Polizei zu Rangeleien und Festnahmen.
Die Anzahl der Freiheitsentziehungen war am Abend noch nicht bekannt. Banjo


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TAZ am 13.09.1999

Der Tag des geschlossenen Bahnhofs

Die Berliner begrüßten die Regierung. Mit Festen und Demonstrationen. Über 1.000 Teilnehmer kamen zur "Reclaim the streets"-Party. In den Bahnhof Friedrichstraße durften sie nicht, dafür wurde das Lafayette besucht.

Rund eine halbe Million Menschen kamen nach Regierungsangaben gestern zum "Kanzlerfest" auf die Straße Unter den Linden. 40.000 hatten schon am Vortag die für Führungen geöffneten neuen Ministerien der Bundesregierung besucht. Und 25.000 Schaulustige nutzen den "Bahntag" zur Besichtigung des frisch renovierten Bahnhofs Friedrichstraße. Da wollte auch die linke Szene nicht zurückstehen.
Über 1.000 waren am Samstagnachmittag ebenfalls zum Bahnhof Friedrichstraße zur vierten "Reclaim the Streets"-Party gekommen, um "gegen die Berliner Republik der Blödiane und Langweiler" anzutanzen. Als sie sich jedoch gegen 17 Uhr in den Bahnhof begeben wollten, schlossen Bundesgrenzschützer die Türen. Bei den anschließenden Rangeleien wurden mehrere Personen festgenommen.

Mehrere hundert "Straßen-Besetzer" gelangten dennoch mit der U-Bahn oder zu Fuß in die Friedrichstraße vor das Kaufhaus Lafayette.
Dort wartete ein Lkw mit Tanzmusik. Die Polizei versuchte immer wieder, die Menge zu teilen. Kleinere Gruppen, die über Seitenstraßen zur Tanzfläche gelangen wollten, wurden verfolgt, Einzelne festgenommen.
Als die Polizei in der Friedrichstraße gegen die bis dahin friedlich Feiernden von beiden Seiten vorrückte, blieb für etwa 60 Personen als letzter Fluchtweg das Nobelkaufhaus Lafayette, das dank einer Ausnahmegenehmigung zum Kanzlerfest noch geöffnet hatte. Drinnen war es mit der Friedlichkeit dann kurzzeitig vorbei. Regale wurden umgestürzt und die Auslagen der Parfümerie-Abteilung zu Boden geschmissen.

Erst als sich die Polizeikräfte auf die Absicherung der Straße beschränkten, beruhigte sich die Lage wieder. Die Demonstranten tanzten und verzierten das Straßenpflaster mit reichlich Farbe.
Gegen 18.25 Uhr erklärte die Polizei die traditionell nicht angemeldete Feier für beendet. Man habe die Veranstaltung "bisher mit einem Höchstmaß an Toleranz" begleitete, schnarrte es aus dem Polizeilautsprecher, und bitte die Teilnehmer, nun dem Musik-Lkw Richtung Kreuzberg zu folgen.

Die Party-Demo wandelte sich in eine klassische "Latsch-Demo", wie Teilnehmer bedauerten. Vor dem Berlin-Museum beschlagnahmte die Polizei um 19.30 Uhr den Musik-Lkw und beendete somit den Umzug. Nach Polizeiangaben wurden insgesamt 29 Personen festgenommen.
msc/ga


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Die Welt am 13.09.1999

Randale bei Lafayette

Am Rande des Kanzlerfestes ist es am späten Sonnabend nachmittag zu Ausschreitungen Autonomer in der Friedrichstraße gekommen.
Nach einer anfangs friedlichen Demo am Bahnhof Friedrichstraße unter dem Motto "Reclaim the streets!" (Die Straßen zurückerobern) randalierten die rund 500 Personen vor den Galeries Lafayette. Sie warfen Steine auf Polizisten und Schaufenster. 60 Autonome drangen in das Kaufhaus ein und verwüsteten die Parfümabteilung. Sie ließen Artikel mitgehen, bevor sie unerkannt verschwanden.
Danach zogen einige Hundert, weiter randalierend durch Mitte nach Kreuzberg, wo erst um 21 Uhr Ruhe einkehrte, so die Polizei. 29 Personen wurden festgenommen, vier Polizisten von den Demonstranten verletzt. Jam


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Süddeutsche Zeitung am 13.09.1999

Klirren in der Kosmetik-Abteilung

Am Rande des Festes der Bundesregierung ist es am Samstag zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Dabei wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 29 Personen festgenommen und vier Beamte verletzt. Etwa 50 Demonstranten waren am späten Nachmittag in das Kaufhaus Galeries Lafayette gestürmt und hatten in der Parfümerie-Abteilung erheblichen Sachschaden angerichtet.
Der Zwischenfall ereignete sich während einer unangemeldeten Straßenparty unter dem Motto "Reclaim the streets", die am Bahnhof Friedrichstraße ihren Ausgang genommen hatte und an der etwa 600 Menschen teilnahmen. SZ


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BZ am 14.09.1999

Hass auf alles, was chic und reich ist

Die Plünderung in Mitte. Polizei glaubt, daß das erst der Anfang war

Mitte Die Lafayette-Plünderung am Rande des Kanzlerfestes. Es war ganz und gar nicht nur so eine "spontane Aktion erlebnisorientierter Kids", wie es in einer ersten Stellungnahme aus dem Lagezentrum der Berliner Polizei hieß. Gestern kam raus: Es gibt Hintermänner und Scharfmacher, die der Verfassungsschutz seit langem observiert.
Ihr Ziel: Sie wollen Nobelläden in der Friedrichstraße und am Potsdamer Platz als Aushängeschilder von "Konsumterror und Hauptstadtkapitalismus" bekämpfen.
Eberhard Kruschke vom Berliner Verfassungsschutz zur BZ: Die illegalen Straßenbesetzungen unter dem Motto ,reclaim the streets` werden von der Antifaschistischen Aktion Berlin unterwandert und für militante Ziele mißbraucht. Die AAB entstand Mitte 1993 als Nachfolge der Kreuzberger Chaoten "Klasse gegen Klasse", die damals Lokale überfielen, Luxusautos in Brand steckten und sogar den Senatsbaubeamten Hanno Klein ermordeten. Ist die AAB auf dem selben Weg? Kruschke: 60 gewaltbereite Mitglieder sind bekannt. Sie agieren zumeist im Osten der Stadt. Der Gewaltausbruch kam unerwartet.

Am vergangenen Sonnabend mischten sich die Chaoten unter fast 600 Strassenbesetzer am S-Bahnhof Friedrichstraße. Sie dirigierten die Masse zum Lafayette. Geschäftsführer Patrice Wagner: "Die 60 ins Kaufhaus strömenden Jugendlichen sahen zuerst ganz friedlich aus. Aber dann rief einer: Wir sind bei den Kapitalisten, bedient euch!" Der Sicherheitsdienst war überfordert, gibt er zu. "Einer unserer Leute lief auf die Straße, trommelte 30 Polizisten zusammen. Die schoben die Randalierer einzeln raus." Schaden: 15 000 Mark. Keine Festnahmen.
Polizei-Einsatzleiter Michael Knape, 47: "Das war sicher nicht die letzte Gewaltaktion."

Der Leitende Polizeidirektor Michael Knape, 47, war Einsatzleiter beim Kanzlerfest. Die BZ wollte wissen, warum die Plünderungen nicht zu verhindern waren.
BZ: Die Chaoten kamen von einer PDS-Kundgebung zur Friedrichstraße. Hat die Polizei das nicht gewußt?
Knape: Doch. Wir haben die Demonstranten in Prenzlauer Berg zur S-Bahn begleitet, am Bahnhof Friedrichstraße wurden sie von einer BGS Hundertschaft empfangen. Die Schwierigkeit war, daß sich die Chaoten später in zwei Züge aufteilten.
Warum waren die Galeries Lafayettes ohne Polizeischutz?
Die Gewalt kam für uns aus heiterem Himmel. Als wir zu Hilfe gerufen wurden, war schon alles gelaufen. Die Beamten haben eingegriffen aber wir konnten Plünderer nicht von Kunden unterscheiden.
Niemand war vermummt oder sonst auffällig gekleidet. Der Trick ist, daß die Täter aussehen wie friedliche Bürger.
Das kann immer wieder passieren?
Ja.
Und wie schützen Sie dann die Geschäftsleute in Mitte vor Übergriffen?
Das kann die Polizei allein sicher nicht bewältigen. Die Inhaber sollten zusätzlich selbst für Bewachungspersonal sorgen. Jeder muß notwendige Vorkehrungen treffen, um so etwas zu verhindern.
Warum gerade jetzt dieser Gewaltausbruch?
Die Bundeshauptstadt erlebt einen Bauboom. Geld kommt in die Stadt. Und die neue Mitte ist nun mal Reizobjekt für diese politische Gruppierung, die sich als Verlierer begreift.

Angelika Hirschmann, Sprecherin des von Anne Maria Jagdfeld (Foto) geleiteten Quartier 206 (u.a. Donna Karan, Gucci):
Unser Haus hat eine eigene Security. Aus der Leitzentrale wird das Gebäude komplett per Video überwacht. Käme es zu Ausschreitungen, könnten die Sicherheitsbeamten über einen direkten Draht die Polizei holen. Wir haben am Sonnabend nichts von den Vorfällen abbekommen.

Herbert Beltle, Besitzer vom Restaurant Aigner am Gendarmenmarkt:
Das erinnert mich alles an Kreuzberg. Diese alte Geschichte von Klasse gegen Klasse. Aber Mitte ist nicht Kreuzberg. Hier spielen die Chaoten auf fremdem Gebiet. Mitte hat eine ganz andere Struktur. Hier gibt es keine Sympathisanten an jeder Ecke. Ich bin sicher, das geht vorbei. Meine Gäste brauchen sich keine Sorgen zu machen.

Joe Laggner, Betreiber von L&W und der Newton-Bar:
Ich kann meinen Gästen absolute Sicherheit garantieren. Die Gang hat ja am Samstag auch versucht, bei uns die Tischdecken wegzuziehen. Hat nicht geklappt. Da ich auch Mieter des Konzerthauses bin, habe ich einen eigenen Wachschutz. Die ASK-Leute kontrollieren rund um die Uhr beide Lokalitäten. Das braucht man heutzutage schon.


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1. Berichte der Berliner Zeitung am 14.09.1999

Autonome filmten Überfall im Kaufhaus

Geschäftsführer des Lafayette fordert Polizeischutz bei Demonstrationen in Mitte

Die autonome Szene der Stadt ist offenbar verantwortlich für den Überfall auf das Kaufhaus Galeries Lafayette in der Friedrichstraße am Sonnabend. Das sagte ein Polizist am Montag. Nach dem Mai-Krawall in diesem Jahr in Kreuzberg waren die Autonomen ruhig geblieben. Jetzt meldeten sie sich erstmals nach dem Hauptstadtumzug in unmittelbarer Nähe zum Regierungsviertel zurück.
Nach Informationen des innenpolitischen Sprecher der CDU- Fraktion, Roland Gewalt, wollten die Autonomen die Vorbereitungen für das Kanzlerfest Unter den Linden stören. Nur mit einem massiven Polizeieinsatz konnte das verhindert werden. "Sozusagen als Ersatz haben die Chaoten dann das Kaufhaus gcstürmt", sagte Gewalt.
Wie gut die Szene auf Krawalle vorbereitet war, zeigen auch die Beobachtungen des Geschäftsführers der Galeries Lafayette, Patrice Wagner.

Neue Details
"Es war gegen 17.30 Uhr als 60 Jugendliche von der Polizei offenbar unbemekt in unser Haus kamen", sagte der Geschäftsführer. Zu dieser Zeit hätten sich etwa 200 Kunden und drei Sicherheitskräfte in dem Kaufhaus befunden.
"Einer der Jugendlichen schrie plötzlich: Hier sind wir bei den Kapitalisten und Bonzen, bedient Euch. Es gab einen Aufschrei der Zustimmung bei den jungen Leuten. Daraufhin wurden in der Parfümerie und bei den Accessoires Glasregale umgeworfen." Er habe den Eindruck gehabt, daß die Leute sehr gut organisiert vorgegangen sind. "Zwei oder drei von ihnen filmten die Aktion mit Videokameras."
Schließ1ich hätten sich die Randalierer Parfüm, Schals und Sonnenbrillen eingesteckt. Erst als der Geschäftsführer selbst einen Polizisten auf der Straße ansprach und auf die Vorgänge im Kaufhaus aufmerksam machte, wurden die Beamten aktiv und holten die vorwiegend jungen Männer heraus.

"Das Hauptproblem ist, daß die Polizei nicht weiß, wo die Szene als Nächstes zuschlägt", sagte Gewalt. Es sei nicht möglich, alle potenziellen Ziele im Regierungsviertel oder benachbarten Straßen ständig zu schützen.
"Berlin ist nicht Bonn", sagte Gewalt. Schon seit Monaten fährt die Polizei in der "Glasmeile von Berlin" vermehrt Streife. Bei der Erstürmung des Lafayette habe die Polizei aber schnell reagiert, sagte Gewalt.
Obwohl die linke Szene zerstritten sei, sei es immer noch möglich, einige Dutzend für eine Aktion zu mobilisieren. "Dafür nutzen sie sogar den öffentlichen Nahverkehr", sagte Gewalt.
Dem Kaufhaus in Mitte entstand bei den Plünderungen am vergangenen Sonnabend ein Schaden von 15000 bis 20000 Mark. Als Reaktion auf den Überfall forderte der Geschäftsführer, in Zukunft bei Demonstrationen im Vorfeld Polizisten zum Schutz vor solche öffentlichen Gebäude wie die Galeries Lafayette zu stellen.
"Wir können nicht bei jeder Aktion dieser Art, die hier in der Gegend stattfindet, unser Haus aus Angst vor Krawallen schließen", sagte er. Wagner will in den kommenden Tagen versuchen, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen, um "derartige Dinge zu besprechen." (lo.)


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2. Berichte der Berliner Zeitung am 14.09.1999

Straßenblockierer fühlen sich von Plünderern missbraucht

Organisatoren des Festes in der Friedrichstraße distanzieren sich von Gewalt der Linksextremisten

Die Organisatoren des friedlichen Straßenfestes am vergangenen Sonnabend in der Friedrichstraße in Mitte haben sich von den randalierenden Autonomen distanziert. Diese hatten im Lafayette gewütet und Gäste bedroht.
Leute verletzen und Läden plündern entsprechen nicht dem Ziel der Demonstration, hieß es.

Zum alternativen Straßenfest hatten Mitglieder der Bewegung "Reclaim the Streets" (RTS) aufgerufen. "Wir treffen uns seit einem Jahr einmal im Monat zu einer Spontandemo und fordern, wie der Name der Bewegung sagt, die Straßen zurück", sagte einer der Organisatoren der "Berliner Zeitung". Es gehe den 500 Teilnehmern darum, den Verkehr auf viel befahrenen Hauptstraßen lahmzulegen und sie wieder zu bevölkern. "Fußgänger sollen das Sagen haben." Die Friedrichstraße sei für das Fest nur zufällig ausgewählt worden.

Die RTS-Demonstrationen werden bei der Polizei nicht angemeldet. "Das würde dem Sinn des Festes widersprechen", so ein Teilnehmer. "Wir wollen auf friedliche Art und Weise mit der Polizei Katz und Maus spielen. Deshalb verabreden wir uns an einem Ort, der bis zuletzt geheimgehalten wird und bringen dann den Straßenverkehr zum Erliegen", sagte der Informant. "Dabei wollen wir uns nicht gewaltsam mit der Polizei oder den Anwohnern anlegen."

Die Teilnehmer sprechen sich zum einen über das Internet ab - oder verteilen untereinander Handzettel. Dies nutzen nach Ansicht der nur RTS-Vertreter auch Mitglieder der autonomen Szene für ihre Aktionen gegen den bei ihnen verhaßten Staat aus.
"Sie versuchen zunehmend uns zu überzeugen, daß der friedliche Weg nicht der Richtige ist, um Veränderungen zu erreichen." Manch einer der RTS-Leute falle auf die Parolen gegen so genannte "Kapitalistenschweine" herein und laufe mit den Randalierern mit. Nach der internen Polizeiauffassung geht von den rund l 200 sogenannten Autonomen in Berlin die nachhaltigste Gefahr für die Sicherheit der Stadt aus.
Durch ihre Zersplitterung in kleine Gruppen sei es für die Polizei schwer, ihre Aktivitäten im Vorfeld zu erkennen, sagte ein Beamter. Neu sei auch, daß die Autonomen nicht mehr nur an ihrem Aussehen zu erkennen sind. Innerhalb der Berliner autonomen Szene diskutieren deren Mitglieder seit einigen Monaten über die künftige Strategie und Taktik. Das sorge für Uneinigkeit bei den Mitgliedern - etwa darüber, wer in Berlin als Hauptgegner attackiert werden soll, sagte der Beamte.
Vermutlich habe sich die Szene damit abgefunden, daß die Regierung in Berlin ist und ein Protest dagegen keinen mehr interessiert. (lo.)


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