als ich gegen 20 uhr am mariannenplatz ankam, hatten sich dort bereits
einige menschen eingefunden und es lag die uebliche froehliche aufregung
in der luft. es gab viel zu sehen - von den einigen hundert teilnehmerInnen
waren ueberraschend viele sehr aufwendig und phantasievoll verkleidet
und ganzkoerperbemalt. mich persoenlich hat besonders die grosse zahl
an maennern ueberrascht, die in engen roeckchen und hohen schuhen herumflanierten.
viele infozettel wurden verteilt und eine frauentrommelgruppe sorgte fuer
die musikalische untermalung. die bullen hielten sich zurueck, standen
aber, wie einige erzaehlten, einsatzbereit einige strassen weiter mit
massenhaft wannen, wasserwerfern und raeumfahrzeugen.
die mobilisierung lief leider unglaublich schleppend und es dauerte ewig,
bis wir uns alle endlich auf den weg machten, den mariannenplatz zu verlassen.
leute - wir muessen schneller und spontaner werden!
als wir auf dem heinrichplatz ankamen, waren die bullen natuerlich schon
da und versuchten, mit einer kette den umzug zu trennen. schnell waren
alle strassen, die vom heinrichplatz abgehen von gruenen maennchen blockiert,
ein teil der menschen von einer bullenkette abgetrennt. die grosse verwirrung
brach aus. was jetzt? die drei raeumungswarnungen waren bereits mehrfach
durchgesagt worden, die strassen alle eindeutig blockiert. es kam die
idee auf, in kleingruppen zum kotti zu laufen und von dort einen zweiten
versuch zu starten, aber ploetzlich tauchte ein soundsystem auf. ein kleiner
bus, der im zug mitfuhr, stellte boxen aufs dach und machte musik. super!
die stimmung war gerettet, einige tanzten, andere bemalten die o-strasse,
jemand spuckte unglaublich viel feuer und die ratlosigkeit wich langsam
neuen ideen und plaenen.
die ansage der bullen war nach wie vor eine zynische aufforderung, "zum
mariannenplatz zurueckzukehren und dort im rahmen der kooperation (?)
die feierlichkeiten zu beenden." fuck off! natuerlich traute sich
niemand, die laecherlich kleinen bullenketten anzugreifen und kurz zur
seite zu schieben. also blieb nur, langsam wieder zum mariannenplatz zurueckzukehren.
das soundsystem gab sein bestes, um die stimmung aufzuheitern. knallbunte
nackttaenzerInnen lieferten eine tanzperformance auf der kleinen ladeflaeche
und anwohner warfen aus den fenstern blumen auf die tanzenden.
ploetzlich, obwohl wir uns wie gefordert auf dem weg zum mariannenplatz
befanden, griffen die bullen den kleinen bus an und nahmen den wagen,
den fahrer, sowie einige taenzerInnen mit. eine gezielte, grundlose scheissprovokation
von den scheissbullen, die einer reclaim-aktion keine musik goennen. ein
anwohner drehte seine heimstereoanlage auf und beschallte so gut es ging
die frustrierten aktivistInnen. langsam liessen sich dann schliesslich
alle von den bullen wieder auf den ausgangspunkt schieben und am mariannenplatz
versammeln. dort war dann fuer einige zeit strassenfestatmosphaere und
die vielfaeltigsten aktionen fanden statt. einige blockierten mit seilspringen
aeusserst effektiv die strassen, andere malten den beton an, der feuerspucker
sorgte fuers licht, die engagierten trommlerinnen trommelten, was das
zeug haelt, verkleidete engel hielten den bullen die rueckseite ihrer
fluegel entgegen, auf denen "fuck you" geschrieben stand, viele jongleure
und strassenkuenstler waren aktiv.
ich fand die stimmung toll und war beeindruckt, dass tatsaechlich eine
unglaubliche vielfalt an geschlechtsbildern auf der strasse war. die kategorien
mann/frau waren kaum noch zuzuordnen, dafuer viele fantastische mischwesen
zu sehen. auch wenn nach aussen sicherlich kaum ruebergekommen ist, dass
es uns um antisexismus ging, war es doch zwischen den leuten selber ganz
klar. auch wenn anfangs ein macker mit etwas gewalt ausgeschlossen werden
musste, hatte ich persoenlich das gefuehl, dass sich die meisten maenner
sehr zurueckhaltend verhalten haben. ich habe mich jedenfalls sehr wohl
gefuehlt.
und dann kam die grosse ueberraschung - ein zweites soundsystem! ploetzlich
hielt mitten auf der belebten naunystrasse ein grosser roter bus und musik
war da! sofort ging eine wilde party ab und die euphorie war im handumdrehen
reaktiviert. als die mutigste fahrerin der welt dann schliesslich ueber
den gehweg an einer wanne vorbei dem bullenkessel am mariannenplatz zu
entkommen versuchte, war die spannung auf dem hoehepunkt. ein grossartiger
moment, in dem die geste gezaehlt hat. es war klar, dass der wagen nicht
weit kommen kann und dennoch - wir haben gezeigt, dass wir uns eben nicht
sagen lassen, wo wir "im namen der kooperation unsere feierlichkeiten
stattfinden lassen". wir haben es zumindest versucht - eine wanne weggeschoben,
ein strassenschild fast aus der strasse gezogen und zumindest fuer einen
kurzen moment das gefuehl gehabt, dass wir feiern koennen, wo und wann
wir wollen. natuerlich konnten wir es nicht. im handumdrehen waren die
businsassen verhaftet und das soundsystem weg. was danach noch passiert
ist, weiss ich nicht. fuer mich war die situation eindeutig: von den teilnehmerInnen
ging keinerlei aggression aus, wir waren auf einen strassenumzug vorbereitet,
nicht auf eine eingeklemmte zwangsaktion auf dem mariannenplatz. die bullen
haben gezielt gehandelt und alles verhindert, was wir erreichen wollten.
trotz allem finde ich, dass wir den ansatz eines neuen umgangs
mit geschlecht auf die strasse gebracht haben und zumindest kurzzeitig
eine utopie gelebt haben. haetten wir die moeglichkeit gehabt, laenger
auf einem selbstgewaehlten ort zu verweilen, waere sicherlich unser inhalt
auch staerker nach aussen transportiert worden. also, wir alle haben wieder
viel gelernt. vor allem darueber, wie mit selbstbestimmten parties in
dieser stadt umgegangen wird. wie wir in zukunft damit umgehen, darueber
muessen wir alle uns jetzt den kopf zerbrechen.
see u soon. in alter frische.
rita riot, eine teilnehmerin